Resilienz und Konflikt

Nach Prof. Dr. Sedmak sind Konflikte Bewährungsproben, die sich uns in den Weg stellen. Er gibt Tipps und Hilfestellungen, wie wir mit Konflikten umgehen und sie (auf-)lösen können:

 

Transkript:

Was hilft Konflikte zu durchstehen? Konflikte sind Bewährungsproben, die sich uns in den Weg stellen. Wir verfolgen ein Ziel und dann haben wir einen Konflikt. Und der Konflikt ist wie ein Hindernis, das es uns schwer macht, das Ziel, das wir uns gesetzt haben, zu erreichen. Und jetzt ist die Frage: wie gehe ich am besten mit so etwas um? Mir hilft einerseits die Ehrlichkeit, der Realismus und die Wahrheitstreue, anzuerkennen, da ist ein Konflikt. Diesen auch anzusprechen, das ist schon die zweite Ebene. Eine Sprache dafür zu haben, was eigentlich jetzt passiert ist. Und dann drittens eine Form zu finden, wo man das Gewicht dieses Konflikts  auch einschätzen kann. Gewicht des Konflikts einschätzen heißt zu wissen, es geht nicht immer in allem um die letzten Fragen. Es können vorletzte oder drittletzte oder völlig unwichtige Fragen sein, die es vielleicht gar nicht notwendig machen, sich in dem Konflikt besonders zu engagieren. Es können aber auch gewichtige Fragen sein, wo man weiß, hier lohnt es sich zu kämpfen. Oder hier muss man auch tatsächlich Energien investieren, um diesen Konflikt im Sinne der guten Sache bewältigen zu können. Konflikt gewichten kann auch heißen, das ganze in einen größeren Rahmen einzubetten und zu wissen, worum es letztlich und eigentlich geht.
Und ich würde Resilienz und Konflikt so zueinander in Beziehung setzen, dass die Resilienz die Fähigkeit ist, ja zur schwierigen Situationen zu sagen. Insofern [ist die Resilienz] mit Konflikten verbunden [ist], als diese schwierigen Umstände unter denen Resilienz gefordert wird gerade auch in Konfliktsituationen auftreten können. Und da ist diese Fähigkeit, sich das einzugestehen, die Fähigkeit eine Sprache dafür zu finden und die Fähigkeit das ganze in einem größeren Rahmen zu setzen, wo ich dann auch einschätzen kann, lohnt es sich zu kämpfen, oder ist das in diesem Fall nicht notwendig, eine sehr hilfreiche Strategie.
So wie ich gebaut bin, überlege ich mir als natürlich konfliktscheuer Mensch, der ich bin, lohnt es sich da zu kämpfen? Es gibt ein sehr interessantes Buch von Baltasar Gracián aus dem 17ten Jahrhundert. “Das Orakel der Weltklugheit” heißt das im Deutschen. Da hat ein Jesuit, der in diesem Fall in ganz säkularer Mission unterwegs war, in 300 Bemerkungen sich Gedanken darüber gemacht: wie kann man möglichst widerstandsfrei durchs Leben gehen? Also der hat viel Erfahrung spanischen Hof gesammelt und wollte den Menschen gute Ratschläge geben: wie könnt ihr ohne sehr viel aufwenden zu müssen, es möglichst weit bringen In solchen Zirkeln? Und da ist eine Überlegung von Baltasar Gracián auch die, bei möglichen Kampfsituationen stellt er die Frage: lohnt es sich in diesen Kampf zu gehen? Und wenn es sich nicht lohnt den Kampf zu gehen, der nicht gekämpfte Kampf ist viel leichter zu gewinnen als der gekämpfte Kampf, weil er überhaupt nicht stattgefunden hat. Und bei Konflikten habe ich immer vor, eine langfristige Perspektive den Tag zu legen. Lohnt es sich um eines kurzfristigen Vorteils willen tatsächlich langfristige Möglichkeiten zu verspielen? Also wenn es etwa darum geht, du hast eine Konfliktsituation mit einem Kollegen oder einer Kollegin und wenn du in der  Situation jetzt großzügig bist, hast du den Kollegen und die Kollegin als eine alliierte auf deiner Seite auf die Zukunft hin. Wenn du jetzt in dieser Konfliktsituation – da kann es um winzige Dinge gehen, wie wie wer benutzt welchen Klassenraum oder wer hat das erste Recht, sich die Lehrveranstaltungszeit auszuwählen, da kann es um witzige Dinge gehen – und wenn du in dem Konfliktfall großzügig bist und nicht kleinlich bist, kannst du langfristig gewinnen. Und das ist für mich ein sehr sehr hilfreicher Punkt, der insofern auch mit Resilienz zusammenhängt, dass Resilienz ja gestärkt wird durch eine langfristige Perspektive. Darum geht es im letzten und auf Dauer gesehen. Und das ist bei Konfliktbewältigung ja auch sinnvoll.
Für mich hängen der Diskurs über Verwundbarkeit und der Diskurs über Resilienz zusammen. Zunächst einmal, weil der wichtigste Begriff für mich in der Ethik die Menschenwürde ist. Und wir hätten den Diskurs über Menschenwürde nicht ohne die Erfahrung der Verwundbarkeit. Und wir hätten die allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 nicht oder die Erfahrung der Verwundbarkeit und auch die Erfahrung der Tatsache, dass Menschen einander unglaubliche Wunden zufügen können.
Menschenwürde und Resilienz hängen miteinander zusammen, weil es darum geht, auch unter widrigen Umständen an dem, was wichtig ist, festhalten zu können. Das hat viel mit Selbstrespekt zu tun. Menschenwürde und Selbstrespekt miteinander verbunden. Von daher ergibt sich ein natürlicher Zusammenhang für mich zwischen Verwundbarkeit als Ringen um Menschenwürde unter widrigen Umständen und Resilienz, ja zu sagen zu schwierigen Umständen unter Wahrung des Selbstrespekts und des Ausdrucks der eigenen Würde, auch wenn es schwerfällt. Verwundbarkeit ist die Eigenschaft von Menschen, dass wir beschädigt werden können, aber auch geformt werden können. Verwundbarkeit ist an sich eine sehr schöne Sache, denn jede Beziehung, die tief geht, formt dich und prägt dich. Und das hat etwas mit unserer Verwundbarkeit verstanden als Formbarkeit zu tun. Verwundbarkeit kann auch bedeuten, dass ich beschädigt werde, dass ich verletzt werde, dass ich zerstört werde. Das hat dann mehr mit menschlicher Fragilität zu tun. Und der Zusammenhang zur Resilienz ergibt sich daraus, dass widrige Umstände in meinem Leben dann erfahrbar werden, wenn sie mich an meine Verwundbarkeit erinnern, auf meine Verwundbarkeit hinweisen, oder mir auch Wunden zufügen. Es ist ja nicht immer so, dass ich hier unversehrt stehe und dann stellt sich mir ein Hindernis in den Weg. Sondern mitunter bin ich ja schon durch eine Erfahrung beschädigt, verletzt und muss gewissermaßen blutend und hinkend mich dieser Widrigkeit stellen. Und Resilienz ist gerade dort gefragt, wo es nicht darum geht, weichst du jetzt diesem Hindernis aus, sondern da hat sich dir etwas auferlegt auch als Wunde und als Verwundung und wie lebst jetzt gut weiter. Und Resilient ist wahrscheinlich nicht so sehr die Fähigkeit, unverwundet durchs Leben zu gehen. Schon gar nicht die Fähigkeit unverwundbar zu erscheinen, sondern eher noch die Fähigkeit, mit Wunden und Verwundungen gut leben zu können, oder diese leugnen zu müssen.
 

Weiterführende Literatur

Mumm, Anja. (2019). Systemische Konfliktbewältigung. In: Jutta Heller (Hrsg.) Resilienz für die VUCA-Welt. S.310-325

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